«Bis jetzt habe ich immer Ja gesagt»
Am 28. April 2024 hat Michel Prati (36) für den SC Jegenstorf sein 300. Spiel im Erwachsenenfussball bestritten. Natürlich hat er dabei die Mannschaft als Captain aufs Feld geführt. Im Interview erzählt er aus 25 Jahren Vereinsleben beim SCJ, warum er sich an seinen wichtigsten Torschuss nicht mehr erinnern kann und was ihn stolz macht.
Michel, was ist das für ein Gefühl, 300 Spiele für den gleichen Verein bestritten zu haben?
Es ist ein schönes Gefühl. Ich gehöre hierher, nach Jegenstorf und zum SC Jegenstorf. Ich bin mal für zwei Jahre weg, zu einem anderen Verein, um eine Liga höher spielen zu können. Aber dann habe ich gemerkt, dass für mich das Wichtigste beim Fussballspielen ist, dass ich eine gute Zeit habe mit meinen Kollegen, mit denen ich als Siebenjähriger mit Fussballspielen angefangen habe.
Unterdessen bist du aber der Einzige, der immer noch Fussball spielt?
Das stimmt, die anderen haben alle aufgehört. Jetzt spiele ich mit Jungs Fussball, denen ich als Juniorentrainer vor 15 Jahren, als sie sieben Jahre alt waren, den Innenristpass beigebracht habe.
Wie hat das für dich beim SC Jegenstorf angefangen, damals vor 30 Jahren?
Meine Familie ist von Schönbühl nach Jegenstorf gezogen, mein Vater wurde Trainer bei den Kleinsten und ich habe angefangen zu kicken. Und so waren wir die nächsten sechs Jahre zusammen unterwegs, mein Vater als Trainer und ich in seinem Team.
Du warst so talentiert, dass YB dich geholt hat.
Als 13-Jähriger durfte ich mit zwei Freunden von Jegenstorf zu YB wechseln. Das war eine sehr spannende Erfahrung, da wehte ein anderer Wind als in unserem Dorfverein. Leider habe ich mir aber im allerersten Spiel für YB den Arm gebrochen, danach fand ich den Anschluss nie mehr. Ich habe dann noch bei einigen anderen Auswahlteams gespielt, bis im B-Junioren-Alter fertig war. Im Kollegenkreis haben wir diskutiert, ob wir nicht wieder alle zusammenspielen wollen. Und so kamen wir zu fünft hierher in die B-Junioren, mein Vater wurde Trainer, der heutige Clubhaus-Wirt Rolf Mäder war Co-Trainer. Wir waren sehr erfolgreich, sind zwei Mal aufgestiegen.
Und dann kamst du irgendwann in die 1. Mannschaft.
Zuerst haben wir noch A-Junioren gespielt. Die 1. Mannschaft spielte damals in der 2. Liga. Als sie abstiegen, brach alles auseinander, viele auswärtige Spieler haben den SCJ wieder verlassen. Wir A-Junioren spielten plötzlich mit ein paar älteren Spielern in der 3. Liga und konnten die Liga tatsächlich halten. Es war ein strenger Einstieg in den Aktivfussball.
Aktuell spielt die 1. Mannschaft in der 4. Liga. Ist das die richtige Liga für den SCJ?
Wir gehören in die 3. Liga. Da haben wir auch jahrelang gespielt, als Team mit Ambitionen nach oben. Leider hat uns immer mal wieder ein anderes Team den Aufstieg vermiest. Möglichkeiten, anderswo 2. Liga zu spielen, hätte ich gehabt, aber ich wollte es unbedingt hier schaffen. Leider hat es nie geklappt.
Der Verein hat sich in den letzten Jahren ziemlich stark verändert: mehr Kinder, mehr weibliche Aktivmitglieder, generell ein starkes Wachstum. Wie nimmst du diese Veränderungen wahr?
Ich spüre einen guten «Drive» im Verein. Neben den steigenden Mitgliederzahlen bei den Junioren und Kindern merken wir in der 1. Mannschaft, dass die Zuschauerzahlen an unseren Matches langsam steigen. Es hat wieder mehr Junioren, die zuschauen kommen, und die auch ihre Eltern mitbringen. Das ist natürlich sehr schön.
Du hast auch weniger schöne Zeiten miterlebt, als es um die Existenz des Vereins ging.
Als ich damals als 15-Jähriger aus Bern zurück zum SC Jegenstorf kam, ging es tatsächlich um Sein oder Nichtsein. Ich kann mich an diese ausserordentliche Versammlung erinnern, als klar war: Entweder meldet sich jetzt jemand als Präsident, oder dann ist fertig mit dem Verein. Im letzten Moment ging eine Hand hoch, Ingo Dautel wurde Präsident, es gab einen neuen Vorstand und der Verein lebte weiter. Ich war damals noch ein Teenager und weiss vieles nicht mehr so genau, aber das war schon ein prägender Moment.
Später bist du dann selbst in den Vorstand gewählt worden.
Ja, der damalige Präsident hat mich überredet, und so sass ich gemeinsam mit meinem Vater im Vorstand. So wie jetzt mit Hans Peter und Kevin Schmid auch wieder Vater und Sohn im Vorstand sind. Zuerst war ich Beisitzer, dann fürs Marketing zuständig und zuletzt für die Finanzen.
Ist dir eines deiner 300 Spiele besonders in Erinnerung geblieben?
Da gibt es mehrere, aber die intensivste Erinnerung habe ich an ein entscheidendes Spiel gegen den Abstieg aus der 4. in die 5. Liga. Wir mussten unbedingt ein Unentschieden gegen CS Lecce aus Biel holen, sonst wären wir abgestiegen. In der 88. Minute stand es 0:2 für Lecce. In der 90. Minute schoss Robin Krapf, der heute mein Trainer in der 1. Mannschaft ist, den Anschlusstreffer zum 1:2. Und in der allerletzten, der 93. Minute, hat Robin auch noch einen Penalty rausgeholt. Ich habe keine Ahnung mehr, wohin ich den Penalty geschossen habe, ich war so nervös. Der Schuss ging auf jeden Fall rein und wir sind nicht abgestiegen.
Nicht nur du, auch dein Vater und deine Grosseltern haben den Verein sehr stark geprägt. Macht dich das stolz?
Ja, das ist ein schönes Gefühl. Was meine Grosseltern im Clubhaus gemacht haben, das ist nicht normal in der heutigen Zeit. Sie haben unglaublich viel Zeit und Herzblut investiert, wie auch mein Vater als Trainer, Sportchef, Präsident. Der SC Jegenstorf war für mein Familie schon immer sehr wichtig.
Wie lange hältst du denn deine Knochen noch hin für die 1. Mannschaft?
Ich nehme es Jahr für Jahr. Seit fünf Jahren werde ich jeden Frühling gefragt: «Und, machst du noch ein Jahr?» Bis jetzt habe ich immer Ja gesagt.